Die unendliche Geschichte: Was Autoren von Michael Ende lernen können

Weiter geht's mit dem letzten Teil unserer Diskussion zur Unendlichen Geschichte. Abschließend wollen wir vier - da wir selbst Bücher schreiben - mal darauf eingehen, was wir aus dem Buch für unsere eigenen Werke mitgenommen haben. Außerdem gibt es unser abschließendes Fazit.
Wir hoffen, euch hat unsere vierwöchige Reise gefallen ... wir freuen uns über deinen Kommentar!

Falls du die anderen Teile dieser Buchbesprechung noch nicht gelesen hast, kein Problem, du kannst diesen Beitrag auch unabhängig davon lesen oder die anderen Beiträge nachlesen:
Teil 01: Inhalt/Ende (14.04.2018) | Teil 02: Charaktere (21.04.2018) | Teil 03: Sprache (28.04.2018) | Teil 04: Was Autoren von Michael Ende lernen können/Fazit (05.05.2018)



Das Lieblingszitat von  aus der Unendlichen Geschichte:
»Wer niemals ganze Nachmittage lang mit glühenden Ohren und verstrubbeltem Haar über einem Buch saß und las und las und die Welt um sich her vergaß [...] - Wer niemals heimlich im Schein einer Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen hat [...] - Wer niemals offen oder im geheimen bitterliche Tränen vergossen hat, weil eine wunderbare Geschichte zu Ende ging und man Abschied nehmen musste [...] - Wer nichts von alledem aus eigener Erfahrung kennt, nun, der wird wahrscheinlich nicht begreifen können, was Bastian jetzt tat.«
♠:
Wir sind ja selbst Autoren und lesen mit etwas anderen Augen. Was konntet ihr aus der Unendlichen Geschichte mitnehmen?

♣:
Man sollte sich als Autor etwas trauen und nicht von Regeln aufhalten lassen. Man muss nicht jede Geschichte zu Ende führen und kann durchaus auch Namen kreieren, die ungewöhnlich sind, aber in die Geschichte passen. Gleichzeitig kann es wirklich viel für die Geschichte tun, wenn die Sprache dazu passt. Während viele Geschichten nur eine Handlung haben, hat diese hier mehr. Die Rahmenhandlung, den roten Faden sozusagen, und die vielseitigsten Nebenhandlungen, die teilweise mit der Rahmenhandlung zusammenhängen, teilweise aber auch nicht. Dass dies ebenfalls funktionieren kann, ohne dass der Leser dabei das Ziel aus den Augen verliert, zeigt Ende in seinem Roman ganz deutlich.

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Ich finde es immer wieder interessant, wenn ein Autor ein Buch schreibt, das über den reinen Text hinausgeht. Die Unendliche Geschichte ist ein schönes Beispiel dafür, da dort mit den Schriftfarben gearbeitet wurde und das Bild am Anfang zur Geschichte dazu gehört, anstatt eine reine »Zusatzillustration« zu sein.

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Der Roman hat mich daran erinnert, wie lebendig Geschichten und ihre Figuren sein können und sollten. Die von ♣ angesprochene Rahmenhandlung hat mir auch gezeigt, was für einen Mehrwert es gerade bei Kinderbüchern hat, die Geschichten in einen sehr weiten, wichtigen Kontext einzubetten. Auch bin ich ja ein Fan von all diesen Verflechtungen und Botschaften zwischen den Zeilen, tue mich aber selbst beim Schreiben schwer damit, hier hat Ende wunderbar bewiesen, wie so etwas funktionieren kann.

♣:
Ja, gerade die Einbindung der viele Botschaften zeigt, dass das durchaus auch subtil gelöst werden kann und dass ein Buch nicht nur einer Botschaft bedarf. Er hat seine Botschaften alle auf verschiedene Arten ins Buch eingebracht und somit die mögliche Diversität aufgezeigt. Ein Buch kann gleichzeitig einfach gehalten sein, aber auch tiefe Botschaften enthalten und sich damit auch an Erwachsene richten, wie es von Ende ja sogar intendiert war.

:
Stimmt. Diese Mehrfachadressierung - danke übrigens für diesen für mich neuen Begriff! - ist ein interessanter Ansatz, den ich eigentlich gerne auch mit meinen eigenen Romanen verfolgen würde.

♣:
Ich finde es gerade auch spannend, dass dieses Phänomen bereits bei Ende auftritt, da erst in den 90ern konkret davon gesprochen wird, was mit der mittlerweile populären All Age Literatur zusammenhängt.

♠:
Vor allem werden einem die Botschaften nicht ins Gesicht geklatscht. Ich habe mich an keiner Stelle im Roman genötigt gefühlt, etwas so oder so zu betrachten. Wir haben bei der Buchbesprechung ja selbst gemerkt, dass wir sehr unterschiedliche Ansichten haben, eben weil wir keine klar gezeichneten, schwarz-weißen Charaktere haben. Die Motive sind dabei nicht schwammig, sondern einfach schwierig. Und ehrlich gesagt: Das hatte ich nicht erwartet, weil ich in der Unendlichen Geschichte ein Kinderbuch gesehen habe.

♣:
So ging es mir auch. Ich habe nicht mit einer solchen Komplexität gerechnet, aber sie hat mich wirklich mitreißen können. Gerade kindlich wirkende Elemente sind hier teilweise sehr mannigfaltig, wie zum Beispiel die Gedichte, und trotzdem enthalten sie so viel mehr. Auch als erwachsener Leser erlebt man dadurch eine mehr als vergnügliche Lesereise mit dem jungen Bastian und den vielzähligen anderen Charakteren.


Und damit kommen wir auch schon zu unseren abschließenden Faziten!


Leserfazit :
Auch beim zweiten Lesen als Erwachsene hat mir die Unendliche Geschichte sehr gut gefallen. Der Roman war eine Reise zurück in meine Kindheit, die ich aus neuen Blickwinkeln betrachten konnte. Durch die vielen kurzweiligen Abenteuer bringt das Buch einige Längen mit sich, dafür bietet es einem die Chance, die eindrückliche Charakterentwicklung der Figuren mitzuerleben. Die vielen liebevollen Details und Endes bildgewaltiger Schreibstil runden das Gesamtbild ab und ergeben eine Geschichte für junge und ältere Leser, die sich zu lesen lohnt. Mein persönliches Highlight waren dabei die Szenen, in denen Bastians Liebe zu Büchern deutlich wurde, die mich selbst daran erinnert haben, warum ich so gerne in fremde Welten eintauche.

Leserfazit ♣:
Die unendliche Geschichte konnte auch mich im Großen und Ganzen bezaubern. Trotz Bastian, mit dem ich nicht warm werden wollte, sind Figurenpersonal, Settings und vor allem die sprachliche Ausgestaltung mehr als gelungen. Auch die Botschaften, die der Roman vermittelt, sind liebevoll eingearbeitet worden und drängen sich dem Leser nicht unmittelbar auf. Dadurch entsteht ein phantastisches Gesamtpaket, das überzeugen kann. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass man dieses Buch gelesen haben muss, aber Liebhaber des geschriebenen Wortes und gedruckten Buches werden sich darin mit Sicherheit ein wenig verlieben.

Leserfazit :
Obwohl ich Kinderbücher eher meide, konnte ich nicht umhin mich auf Die Unendliche Geschichte zu freuen, zumal ich schon viel Positives davon gehört hatte und der Titel neugierig macht. Meine Erwartungen wurden auf jeden Fall erfüllt und in einigen Bereichen sogar übertroffen, zum Beispiel im Hinsicht auf die Thematik, die Gebiete wie Depressionen und Selbstfindung umfasst. Die vielen Spielereien Endes, wie die Schriftfarben oder die Anfangsbuchstaben der Kapitel, verleihen dem Roman einen gewissen Charme, und bis auf einen Durchhänger in der Mitte der Geschichte, fand ich das Buch auch durchaus spannend und habe es gerne weitergelesen. Insgesamt ein schönes Buch, das sich zu lesen lohnt, auch wenn man erwachsene Protagonisten bevorzugt.

Leserfazit ♠:
Hinter der Unendlichen Geschichte steckt mehr als ein Kinderbuch. Mich haben vor allem die ernsten Themen überrascht; Themen, die gerne häufiger in All-Age-Fantasy oder sogar Büchern für jüngere Leser verpackt werden sollten. Streckenweise war der Schreibstil etwas langatmig, aber da hab ich mir zugegeben mit dem Hörbuch ausgeholfen. Das Ende konnte mich nicht überzeugen, aber letztlich bleibt sowieso die Frage, ob die Unendliche Geschichte überhaupt ein Ende haben darf.

Vielen Dank, dass du bis hierhin dabeigeblieben bist! Im Mai lesen wir Neil Gaimans Der Ozean am Ende der Straße, vorher gibt es noch einen "Außer-der-Reihe"-Post von uns.
Bis dahin!


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